gastbeiträge
Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) gilt als ein wichtiger, wenn nicht als der bedeutendste Architekt Preußens. Doch sein Wirken erstreckte sich weit über die Baukunst hinaus. Als vielseitiger Universalkünstler prägte Schinkel das kulturelle Leben im Berlin des 19. Jahrhunderts in Architektur, Malerei, Bühnenkunst und Design gleichermaßen.
Er verstand es wie kaum ein Anderer, Kunst und Wissenschaft zu vereinen und als Kulturvermittler zwischen verschiedenen Disziplinen aufzutreten. Nachfolgend soll zur Abwechslung einmal Schinkels Einfluss auf Kunst und Kultur beleuchtet werden. Architekturgeschichtliche Aspekte treten hierbei in den Hintergrund zugunsten einer Analyse der kulturellen Impulse und Vermittlungsleistungen Schinkels.
Schinkel als Künstler und Kulturvermittler
Schinkels vielfältige Projekte hinterließen tiefe Spuren im Kulturleben Berlins. Insbesondere seine Beiträge zu Theater, Museumswesen und städtischer Ästhetik formten die preußische Metropole nachhaltig zu einem Zentrum der Kunst.
Ein zentrales Beispiel ist das Königliche Schauspielhaus auf dem Gendarmenmarkt (heute Konzerthaus Berlin), dessen Neubau Schinkel 1819–1821 leitete. Dieses repräsentative Theatergebäude – ein klassizistischer „Tempel der Kunst“ mit dem Apollon als Giebelfigur – wurde zur Hauptbühne des Berliner Theaterlebens. Mit seiner Architektur und Ausstattung setzte das Schauspielhaus Maßstäbe für Theaterräume als Orte bürgerlicher Kultur und festlicher Aufführungen. In ihm fanden Uraufführungen und legendäre Inszenierungen statt, die das Publikum begeisterten und den Ruf Berlins als Musik- und Theaterstadt stärkten. Schinkels eigenes Wirken als Bühnenbildner der „Zauberflöte“ 1816 fügte sich in diese Entwicklung ein und hob die Qualität der szenischen Darstellung auf ein neues Niveau. Die visuelle Opulenz und symbolträchtige Gestaltung von Schinkels Theaterdekoren bereicherten die Opern- und Theaterkultur und wurden noch über ein Jahrhundert später als vorbildlich rezipiert.
Auch im Bereich der bildenden Kunst setzte Schinkel prägende Impulse in Berlin. Auf seine Planung geht das 1830 eröffnete Königliche Museum (Altes Museum) zurück, das erste öffentliche Kunstmuseum Preußens.
Mit diesem Museum am Lustgarten schuf Schinkel nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern vor allem einen neuen kulturellen Raum, in dem Kunstschätze der Allgemeinheit zugänglich gemacht wurden. Die Institutionalisierung eines öffentlichen Museums bedeutete einen demokratischen Kulturimpuls: Kunst wurde bildungsbürgerliches Gemeingut, nicht länger nur für Hof und Adel reserviert. Schinkels Konzept eines dem Volk geöffneten antiken Tempels der Kunst (sichtbar in der tempelartigen Fassade des Altes Museums) spiegelte das Ideal, Kunst und Kultur im urbanen Leben fest zu verankern. Die Museumsgründung förderte die Entstehung der Berliner Museumslandschaft (inklusive der Museumsinsel als „Freistätte für Kunst und Wissenschaft“ in Berlins Mitte) und damit die Rolle Berlins als führende Kunstmetropole im 19. Jahrhundert.
Neben Theater und Museum sind auch Schinkels Beiträge zu populären Unterhaltungsformen im Berlin seiner Zeit hervorzuheben. In den Jahren 1807 bis 1815 malte er für den Unternehmer Wilhelm Gropius großformatige Panoramen und Dioramen – rundum laufende Landschafts- und Stadtansichten, die in speziellen Schauräumen präsentiert wurden und beim Publikum äußerst beliebt waren. Diese Panoramen (etwa von fremden Städten oder historischen Ereignissen) boten den Berlinern neuartige visuelle Erlebnisse und erweiterten ihren geistigen Horizont, lange bevor Fotografie oder Massenmedien existierten. Schinkels künstlerischer Anspruch verlieh auch diesen Vergnügungseinrichtungen kulturelle Qualität. So wurde selbst das populäre Schaustellungswesen durch Schinkels Mitarbeit zu einem Vehikel der Kulturvermittlung, das Wissen über Architektur, Geographie und Geschichte anschaulich vermittelte.
Nicht zuletzt beeinflusste Schinkel das Berliner Kulturleben auch indirekt durch seine Rolle als Geschmacksbildner und hoher Beamter im preußischen Bauwesen. In seiner Funktion als Oberbaurat und später Oberlandesbaudirektor hatte er Aufsicht über viele Bauprojekte in Berlin und Preußen – darunter Denkmäler, Kirchen, Platzgestaltungen – und prägte so das ästhetische Erscheinungsbild der Hauptstadt. Er förderte die Bewahrung historischer Bauten (etwa die mittelalterliche Marienkirche in Berlin oder den Weiterbau des Kölner Doms) und etablierte einen Sinn für Denkmalpflege als kulturelle Aufgabe des Staates. Durch Schinkels Einfluss erhielt Berlin den Beinamen „Spree-Athen“, da zahlreiche klassizistische Bauten nach seinem Vorbild entstanden und die Stadt in ein lebendiges Museumsensemble verwandelten. Damit schuf er eine Kulturlandschaft, die Einwohnern wie Besuchern ein Bewusstsein für historische Tiefe und künstlerische Werte vermittelte.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Schinkels Theater- und Kunstprojekte – vom Schauspielhaus über Operninszenierungen bis hin zum Museum und Panorama – wesentlich dazu beitrugen, Berlin als kulturelles Zentrumzu etablieren. Er hat der Stadt eine vielfältige kulturelle Infrastruktur hinterlassen und gleichzeitig neue Formen der ästhetischen Erfahrung eingeführt, die die Berliner Kultur im 19. Jahrhundert prägten.
Die Bauakademie als Brücke zwischen Wissenschaft und Kultur
Schon früh erkannte Schinkel das Potential der Architektur als verbindendes Element von technischer Wissenschaft und kultureller Bildung. Die Bauakademie wirkte dabei als Vermittler zwischen Architektur und Kultur auf mehreren Ebenen. Einerseits wurde Architektur als Kunstform etabliert – als Studienfach mit akademischem Rang, das künstlerische Gestaltung und wissenschaftliches Denken verband. Andererseits strahlte die Institution in die Gesellschaft: Durch öffentliche Ausstellungen, Vorträge und Publikationen trug sie zur Verbreitung architektonischer Bildung und zur Sensibilisierung für Baukultur bei. So entwarf Schinkel für die Eingangshalle der Bauakademie Wandfresken zu den Allegorien „Kunst“ und „Wissenschaft“, um den Bildungsauftrag der Akademie sichtbar zu machen (obgleich diese Fresken letztlich nicht ausgeführt wurden).
Die langfristigen kulturellen Impulse der Bauakademie zeigen sich etwa in der nachhaltigen Professionalisierung des Architektenberufs und in der Vorbildwirkung für nachfolgende Ausbildungsstätten. Viele später einflussreiche Architekten Preußens gingen aus der Bauakademie hervor und prägten mit Schinkels ganzheitlichem Verständnis von Baukunst das Stadtbild und Kulturerbe Berlins. Nicht zuletzt gilt Schinkels Bauakademie-Gebäude mit seiner neuartigen, funktionalen Ziegelarchitektur als früher Meilenstein der Moderne, was die kulturelle Bedeutung der Institution bis in die Gegenwart unterstreicht.
Schinkels nachhaltiges kulturelles Erbe
Karl Friedrich Schinkel war weit mehr als der gefeierte Architekt des Klassizismus – er wirkte als integrierender Geist an der Schnittstelle von Architektur, Kunst und öffentlicher Kultur. Durch die Bauakademie schuf er eine Institution, die Architektur als ganzheitliche Disziplin begriff und damit einen Grundstein für die Verzahnung von Baukunst und Kultur legte. Als Maler, Designer und Bühnenbildner bereicherte er die Künste um bedeutende Werke und setzte Maßstäbe, die bis in die Moderne fortwirkten.
Besonders im Theater schuf er Visionen, die nachfolgende Generationen von Bühnenkünstlern inspirierten. Schinkels Wirken veränderte das Berliner Kulturleben dauerhaft: Er machte Kunst in Museen und öffentlichen Räumen zugänglich, inszenierte Architektur und Geschichte auf der Bühne und im Panorama, und formte mit seinen Bauten das kulturelle Gedächtnis der Stadt.
Die langfristigen kulturellen Impulse Schinkels zeigen sich bis heute. Seine Idee, Architektur möge gleichrangig neben anderen Künsten stehen und diese befruchten, ist in der modernen Baukultur fest verankert. Institutionen wie technische Universitäten, Kunstakademien und Museen führen sein Erbe der interdisziplinären Bildung fort. Berlin verdankt Schinkel einen großen Teil seines historischen Charmes und seines Renommees als Stadt der Kultur.
Bei aller Ambivalenz, mit der heutzutage Schinkels Erbe betrachtet und diskutiert wird (war er nun später Romantiker oder Vorreiter der Moderne), kann eines ohne Zweifel konstatiert werden: Schinkel fungierte als kultureller Impulsgeber, der durch sein universales Schaffen Architektur, Kunst und Gesellschaft in einen fruchtbaren Dialog brachte. Das macht in so bedeutend und einzigartig. Bis heute.
Autor: Stefan Stüdemann
Mitglied Freunde der Schinkelschen Bauakademie
Innovation und historische Bedeutsamkeit müssen keine Gegenpole sein. Insbesondere der Holzbau zeigt, dass moderne Technologien zwischen Architekturgeschichte und technologischem Fortschritt vermitteln können.
Eine mögliche Verwendung des TRIQBRIQ Holzbausystems für den geplanten Bau der neuen Schinkelschen Bauakademie eröffnet faszinierende Perspektiven, besonders vor dem Hintergrund der historischen Bedeutung der Bauakademie. Der neuartige Ansatz der TRIQBRIQ AG, Holzbau in Form von Bausteinen zu denken, die teilweise dem Prinzip von Ziegelsteinen folgen, schlägt eine Brücke zwischen Tradition und zeitgemäßen Bautechnologien.
Die Berliner Bauakademie, auch als Schinkelsche Bauakademie bekannt, war nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern auch ein bedeutendes Ausbildungsinstitut für Architekten, gegründet im Jahr 1799 von Friedrich Wilhelm III. und erbaut nach den visionären Plänen von Karl Friedrich Schinkel. Das rote Ziegelgebäude galt als Vorläufer der technischen Moderne und war eine Vorgängerin der Technischen Universität Berlin.
Bedingt durch die Zerstörungen im 2. Weltkrieg wurde das Gebäude 1962 abgerissen. 2019 wurde dann die Bundesstiftung Bauakademie gegründet. Ziel ist es, die historische Tradition des Gebäudes wiederzubeleben. Gerade Innovationen wie TRRIQBRIQ bieten dabei großartige Möglichkeiten.
Das Massivholz-Bausystem besteht aus mikro-modularen Holzbausteinen – den sogenannten BRIQs. Diese werden mit Robotertechnik präzise aus günstigem Schad- und Schwachholz sowie rückgebautem Altholz hergestellt. Die einzelnen BRIQs werden auf der Baustelle aufeinander gesteckt und über Holz-Dübel miteinander verriegelt. Auf diese Weise lassen sich tragende Wände kosteneffizient, flexibel und in kurzer Zeit errichten. Auf Grund des zirkulären Produktdesigns können die BRIQs am Ende der Nutzungsphase eines Gebäudes sortenrein entnommen und vollständig wiederverwendet werden.
Die mikro-modularen Holzbausteine, erinnern in der Art und Weise wie sie verbaut werden stark an Ziegelsteine. Durch die ressourcenschonende Verwendung dieser zirkulären „Holzziegel“ stellt die TRIQBRIQ AG den herkömmlichen Mauerwerksbau auf den Kopf. Ähnlich wie die Planer und Erbauer der Schinkelschen Bauakademie seiner Zeit. Das Bauwerk galt in seiner Konstruktionsweise als revolutionär für das 19. Jahrhundert. Es handelte sich dabei laut Hermann Parzinger „um das erste maßgebliche profane Rohziegelgebäude in Preußen“. Ähnlich verhält es sich mit den bereits bestehenden TRIQBRIQ Gebäuden. Diese sind aus aktueller Sicht ebenfalls noch absolut einzigartig. Das junge Unternehmen plant aber eine ambitionierte Skalierung und will seine BRIQs in die Fläche bekommen.
Trotz der jungen Unternehmensgeschichte der TRIQBRIQ AG, blickt das Start-up dabei bereits auf einige erfolgreich gemeisterte Referenzobjekte zurück. Ein Proof of Concept mit dem aktuellen TRIQBRIQ-System wurde kürzlich in Stuttgart bezogen. Dass TRIQBRIQ aber auch bei größeren Bauvorhaben einwandfrei funktioniert, hat das Start-up bereits unter Beweis gestellt. Ende Juni wurde in Frankfurt der erste mehrgeschossige TRIQBRIQ-Rohbau errichtet.
Die Möglichkeit, TRIQBRIQ in Erwägung zu ziehen, um die Schinkelsche Bauakademie neu zu gestalten, unterstreicht nicht nur die historische Verbindung zu innovativen Baupraktiken, sondern präsentiert auch eine faszinierende Symbiose von Vergangenheit und Zukunft im Dienste einer nachhaltigen Bauwende.
Weitere Informationen zu TRIQBRIQ finden sie unter triqbrig.de.
Autor: Lewin Fricke
Lewin Fricke hat Politik- und Medienwissenschaften studiert und verantwortet bei TRIQBRIQ den Bereich Öffentlichkeitsarbeit und New Business. Seine Mission ist es, die nachhaltigen Lösungen des Unternehmens nach außen zu tragen und mit Kunden, Partnern, Journalisten und allen weiteren Interessierten einen Beitrag gegen den Klimawandel zu leisten.
In der Diskussion um die vom Deutschen Bundestag beschlossene Wiedererrichtung der Berliner Bauakademie stehen zwei grundsätzliche Positionen gegenüber: Auf der einen Seite die Befürworter einer Rekonstruktion (im denkmalpflegerischen Sinne korrekt „Kopie“), auf der anderen Seite die Befürworter einer Wiedererrichtung, die im Wortlaut der Bundesstiftung Bauakademie dem „visionären Geist Karl Friedrich Schinkels“ Rechnung trägt (bundesstiftung-bauakademie.de, abgerufen am 21.11.2023). Gemeint ist mit dieser Formulierung der Anspruch, die innovativen Ansätze eines aus dem 19. Jahrhundert stammenden Architekten auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu übertragen. Der „Geist“ Schinkels soll sich also in einem zukunftsweisenden Bau neu verwirklichen, der Anforderungen zu mehr Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit exemplarisch umsetzt. Die Frage hierbei ist: Was genau ist zu verstehen unter diesem „Geist“ Schinkels?
Der preußische Star-Architekt verwendete Formen der griechischen Antike und der mittelalterlichen Gotik. Er übertrug diese „Stile“ auf Entwurfsaufgaben seiner Zeit, wovon z. B. das Schauspielhaus (Tempel-Motiv), die Neue Wache (Kastell-Motiv) und die Friedrichswerdersche Kirche (idealisierte englische Gotik) zeugen. Dabei kamen ältere und zur damaligen Zeit neu aufkommende Bautechniken zum Einsatz. Die Frage, wie ein innovativer Architekt des 19. Jahrhunderts nun im 21. Jahrhundert bauen würde, hat sicherlich Spielfilmpotenzial, gehört aber in das Reich der Fantasie: Das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen stehen im komplexen Zusammenhang mit seiner jeweiligen Zeit. Ähnliche ideologische Sackgassen sind z. B. aus der Musik bekannt: Wie hätte Mozart für die E-Geige komponiert?
Die ästhetische Gestaltung (die ältere Kunstgeschichte spricht vom „Kunstwollen“) und die zur Verfügung stehenden technischen Mittel stehen in einer dialektischen Beziehung zueinander. Auf die Bauakademie übertragen heißt das: Schinkels ausgeführter Architekturentwurf spiegelt die kreative Auseinandersetzung mit Konstruktionsweisen seiner Zeit wider. Den „Geist“ Schinkels von dieser Zweierbeziehung zu isolieren, führt zu Beliebigkeit und mündet in einen geschichtsphilosophischen Relativismus.
Im Angesicht der sich anbahnenden Klimakatastrophe mögen solche theoretischen Überlegungen lapidar sein; Der Klimaschutz sollte jedoch nicht als moralisches Totschlagargument instrumentalisiert werden. Dafür ist die Bauakademie ein zu kleines Einzelbauwerk und ihr Standort in eine zu komplexe, historisch-städtebauliche Struktur eingebunden. Der hohe Anspruch, die fundamentalen Fragen des Bauens im 21. Jahrhundert exemplarisch an einem einzigen Bauwerk zu beantworten, kann angesichts der drohenden Überfrachtung an Erwartungen nur scheitern: Die Stellschrauben für ein zukunftsorientiertes Bauen liegen in internationalen Abkommen zu Umwelt- und Klimaschutz, ratifiziert in nationalen Baugesetzen und umgesetzt von einer dank günstiger Rahmenbedingungen leistungsstarken Bauindustrie, flankiert durch geeignete Finanzierungsinstrumente. Testbauten zur Erforschung von speziellen Fragen zukunftsgerechten Bauens gehören auf internationale Bauausstellungen und -messen, auf den Campus von Universitäten und in Forschungseinrichtungen, nicht aber in ein historisches Stadtzentrum mit seinen gesellschaftlich vielschichtigen Nutzungen.
Die Zusammensetzung der Wettbewerbsjury für die Wiedererrichtung der Bauakademie wird zeigen, wieviel gedanklichen Raum Schinkels „Geist“ tatsächlich erhalten wird. In die Diskussionen einzubeziehen ist auch der Umgang mit baulichen Spolien (z. B. das original erhaltene Portal der Bauakademie), ferner die axiologisch schwierige Frage, bis zu welchem Grad und in welcher Fassung neben der Fassade das Innere der Bauakademie „rekonstruiert“ wird (das Treppenhaus z. B. erfuhr mehrere Umbauten). Eine „Teilrekonstruktion“ des Inneren könnte die Verbindung zum historischen Äußeren (Fassadenkopie) gewährleisten, würde heutigen Architekten aber auch den nötigen Gestaltungsfreiraum belassen, „mit“ und nicht „gegen“ den Geist Schinkels etwas „Neues“ zu entwerfen.
Autor: Prof. Dr. Dr. Alexander Grychtolik, Weimar
Alexander Grychtolik studierte Architektur, Musik (Cembalo) und Musikwissenschaft in Weimar, Brüssel und Hamburg und lehrt an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar. Er ist Mitglied bei den Freunden der Schinkelschen Bauakademie.
Lehmbau, einer der ältesten Baustoffe der Welt, ist eine Architekturform, die seit Jahrtausenden in verschiedensten Formen weltweit angewendet wird. Besonders in Marokko findet man beeindruckende Beispiele, die von einfachen ländlichen Wohnhäusern bis hin zu eindrucksvollen Kasbahs (Siedlungsstrukturen mit umlaufenden Maueranlagen) reichen. Leider wurde diese Baukunst zunehmend vernachlässigt und geriet sukzessive in Vergessenheit. Westliche Materialien sowie Bautechniken haben das traditionelle Bauen in Marokko verdrängt und damit die Möglichkeiten, auf die besonderen regionalen Klimaverhältnisse eingehen zu können, spürbar reduziert.
Doch in kleinen Schritten gewinnt auch in Marokko der Lehmbau wieder an Bedeutung, nicht zuletzt durch ein wachsendes Bewusstsein für den Wert der traditionellen Baukultur und damit das Einbeziehen regenerativer regionaler Baumaterialen in die Stadtarchitektur. Diese alte Handwerkskunst wieder zu beleben, bringt viele Vorteile. Dazu zählt unter anderem die Fähigkeit zur Anpassung an lokale klimatische Bedingungen. Lehm hat ausgezeichnete temperaturausgleichende Eigenschaften, die in heißen Wüstenregionen ebenso nützlich sind wie in kühleren Berggegenden.
Die marokkanische Architektin Aziza Chaouni schafft mit ihren Projekten, wie dem Joudour Sahara Cultural Centre in M’hamid, interessante Verbindungen zwischen moderner Architektur und traditionellem Material. Sie demonstriert, wie Lehmbau auf innovative Weise genutzt werden kann, um klimaangepasste und nachhaltige Gebäude zu schaffen für die Menschen, die in der Region leben.
Tatsächlich spielt Lehm in der modernen Architektur auch in Europa eine wachsende Rolle, nicht zuletzt wegen seiner Umweltvorteile. Die Baubranche ist einer der Hauptverursacher von CO2-Emissionen weltweit, und u.a. Deutschland hat, wie viele andere Länder auch, eine entscheidende Verantwortung zu übernehmen. Der Bau mit Lehm erfordert nur minimale Energie im Vergleich zur Herstellung von Beton oder Stahl und ist als Ressource in großen Mengen vorhanden. Aushub aus Baustellen oder für Infrastrukturprojekte werden nur selten genutzt.
Trotz Ankündigungen und Zusagen, z.B. aus der Zementindustrie mit Green Concrete, kann es kein einfaches „Weiter so“ geben. Die Bauwende fordert eine grundlegende Neuausrichtung der gesamten Branche, bei der die Priorität auf die Nutzung erneuerbarer, umweltfreundlicher und lokal verfügbarer Materialien gelegt wird, um so eine nachhaltigere und verantwortungsvollere Zukunft des Bauens zu gestalten – etwa mit Holz, anderen biogenen Baustoffen und auch Lehm.
Moderne, inspirierende Beispiele für den Lehmbau finden sich etwa in Österreich und der Schweiz. Hier zeigt sich, dass Stampflehmarchitektur zeitlose, ästhetisch ansprechende Gebäude schaffen kann, bei denen der Schaffungsprozess eine eigene Geschichte erzählt und ablesbar wird – Schicht für Schicht.
Neben seinem geringen CO2-Fußabdruck bietet der Lehmbau auch Vorteile für das Raumklima. Lehm kann Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben, was zu einem gesünderen und angenehmeren Innenraumklima beiträgt.
Zum Abschluss dieses kurzen Impulses ist nochmal wesentlich hervorzuheben, dass der Lehmbau ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigeren und verantwortungsvolleren Baukultur sein kann. Es gilt, das Potenzial regenerativer Materialien zu erkennen und zu nutzen, um Gebäude zu schaffen, die zum einen umweltfreundlich sind, aber auch mit ihrer neuen Ästhetik ungenutzte Möglichkeiten für Architekturschaffende und Handwerk aufzeigt.
Autor: Alexander Forsch
Senior Environmental Designer bei MVRDV.



