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REGENERATIVE BAUMATERIALIEN –
DIE BRÜCKE ZUR BAUKULTUR VON MORGEN

Lehmbau, einer der ältesten Baustoffe der Welt, ist eine Architekturform, die seit Jahrtausenden in verschiedensten Formen weltweit angewendet wird. Besonders in Marokko findet man beeindruckende Beispiele, die von einfachen ländlichen Wohnhäusern bis hin zu eindrucksvollen Kasbahs (Siedlungsstrukturen mit umlaufenden Maueranlagen) reichen. Leider wurde diese Baukunst zunehmend vernachlässigt und geriet sukzessive in Vergessenheit. Westliche Materialien sowie Bautechniken haben das traditionelle Bauen in Marokko verdrängt und damit die Möglichkeiten, auf die besonderen regionalen Klimaverhältnisse eingehen zu können, spürbar reduziert.

Doch in kleinen Schritten gewinnt auch in Marokko der Lehmbau wieder an Bedeutung, nicht zuletzt durch ein wachsendes Bewusstsein für den Wert der traditionellen Baukultur und damit das Einbeziehen regenerativer regionaler Baumaterialen in die Stadtarchitektur. Diese alte Handwerkskunst wieder zu beleben, bringt viele Vorteile. Dazu zählt unter anderem die Fähigkeit zur Anpassung an lokale klimatische Bedingungen. Lehm hat ausgezeichnete temperaturausgleichende Eigenschaften, die in heißen Wüstenregionen ebenso nützlich sind wie in kühleren Berggegenden.

Die marokkanische Architektin Aziza Chaouni schafft mit ihren Projekten, wie dem Joudour Sahara Cultural Centre in M’hamid, interessante Verbindungen zwischen moderner Architektur und traditionellem Material. Sie demonstriert, wie Lehmbau auf innovative Weise genutzt werden kann, um klimaangepasste und nachhaltige Gebäude zu schaffen für die Menschen, die in der Region leben.

Tatsächlich spielt Lehm in der modernen Architektur auch in Europa eine wachsende Rolle, nicht zuletzt wegen seiner Umweltvorteile. Die Baubranche ist einer der Hauptverursacher von CO2-Emissionen weltweit, und u.a. Deutschland hat, wie viele andere Länder auch, eine entscheidende Verantwortung zu übernehmen. Der Bau mit Lehm erfordert nur minimale Energie im Vergleich zur Herstellung von Beton oder Stahl und ist als Ressource in großen Mengen vorhanden. Aushub aus Baustellen oder für Infrastrukturprojekte werden nur selten genutzt.

Trotz Ankündigungen und Zusagen, z.B. aus der Zementindustrie mit Green Concrete, kann es kein einfaches „Weiter so“ geben. Die Bauwende fordert eine grundlegende Neuausrichtung der gesamten Branche, bei der die Priorität auf die Nutzung erneuerbarer, umweltfreundlicher und lokal verfügbarer Materialien gelegt wird, um so eine nachhaltigere und verantwortungsvollere Zukunft des Bauens zu gestalten – etwa mit Holz, anderen biogenen Baustoffen und auch Lehm.

Moderne, inspirierende Beispiele für den Lehmbau finden sich etwa in Österreich und der Schweiz. Hier zeigt sich, dass Stampflehmarchitektur zeitlose, ästhetisch ansprechende Gebäude schaffen kann, bei denen der Schaffungsprozess eine eigene Geschichte erzählt und ablesbar wird – Schicht für Schicht.

Neben seinem geringen CO2-Fußabdruck bietet der Lehmbau auch Vorteile für das Raumklima. Lehm kann Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben, was zu einem gesünderen und angenehmeren Innenraumklima beiträgt.

Zum Abschluss dieses kurzen Impulses ist nochmal wesentlich hervorzuheben, dass der Lehmbau ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigeren und verantwortungsvolleren Baukultur sein kann. Es gilt, das Potenzial regenerativer Materialien zu erkennen und zu nutzen, um Gebäude zu schaffen, die zum einen umweltfreundlich sind, aber auch mit ihrer neuen Ästhetik ungenutzte Möglichkeiten für Architekturschaffende und Handwerk aufzeigt.


Autor: Alexander Forsch
Senior Environmental Designer bei MVRDV.